Der „Veblen-Effekt“: Teuer = Gut (Teil 2)



Sie erinnern sich vielleicht: schon vor einiger Zeit hatte ich Ihnen von dem eigenartigen Phänomen erzählt, dass Kunden eine Ware erst kauften, nachdem der Preis verdoppelt worden war. Robert Cialdini erklärte dies damit, dass wir in unseren Köpfen eine Urteilsheuristik, also eine Entscheidungsabkürzung, gespeichert haben, die da lautet: teuer = gut. Doch wie kommt die da hinein? Was sind die Hintergründe?

Eine Theorie, auf die ich im Zuge meines Soziologie-Studiums nun gestoßen bin, könnte Licht in diese Sache bringen. Sie wurde vom amerikanischen Soziologen Thorstein Veblen in seiner „Theorie der feinen Leute“ bereits 1899 veröffentlicht. Um sie zu verstehen, müssen wir gemeinsam eine Reise in die Vergangenheit unternehmen.

Veblen setzt in seinen Ausführungen zwar schon etwas früher an, aber für uns genügt es, in die Zeit kurz vor der industriellen Revolution zu reisen. Nach den zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen des Mittelalters, herrschen nun schon seit einiger Zeit Frieden und Wohlstand. Vor allem natürlich am Hof der Aristokratie, der wir nun einen kleinen Besuch abstatten.

Die Elite jener Tage hatte Geld wie Heu und Zeit ohne Ende. Die Arbeit wurde von anderen erledigt. Um diesen Luxus auch gebührend darzustellen, übten sie sich in uneingeschränktem Konsum und „demonstrativem Müßiggang“. Sie kauften die teuersten Güter, entwickelten einen exklusiven Geschmack und Differenzierungsvermögen und kultivierten die „guten Sitten.“

„Ein Leben in Muße muss in angemessener Weise geführt werden; dieser Überzeugung verdanken wir die guten Manieren.“ (Veblen, 1899)

Das Vermögen wuchs weiter an, und die oberen Klassen konnten ihren Reichtum nicht mehr selbst angemessen durch Prestigekonsum und Müßiggang zeigen. Sie übertrugen einen Teil dieser „Leistung“ auf Angestellte und Leibeigene. Auf diese Weise entstand der „stellvertretende Konsum“ der Untergebenen.

Parallel dazu, und nun nähern wir uns wieder unserem eigentlichen Thema, begannen auch die mittleren und unteren Gesellschaftsschichten, sich an den Lebensweisen der Oberklasse zu orientieren und sich selbst in demonstrativem Konsum und – in dem Maße, in dem dies möglich war – Müßiggang zu üben. Die Konsummuster der Elite dienten dabei als Vorbild und Norm für sämtliche übrigen Schichten.

Mit dem gesellschaftlichen Wandel der Industrialisierung und Verstädterung, verlor der „demonstrative Müßiggang“ an Bedeutung. Prestigewert besaß er ja nur insofern, als er auch von anderen wahrgenommen wurde, und in der Anonymität der Stadt mit ihren flüchtigen Begegnungen war dies ungleich schwieriger als in klein strukturierten Gesellschaften. Um den Wohlstand möglichst unmittelbar zu zeigen, spielte der Konsum eine immer größere Rolle. Der Prestigewert der Ware gewann an Gewicht.

Und damit kommen wir wieder in unserer Zeit an. Auch heute noch – oder vielleicht gerade heute – orientieren wir uns in unserem Konsumverhalten nicht ausschließlich am objektiven Nutzen der Güter. Unser Impuls, zu exklusiven, teuren Waren zu greifen, erklärt sich nach Veblen an einer anderen Art von Wert: dem symbolischen Wert der Dinge. Wir kaufen, um anderen etwas zu zeigen. Ob dies nun unser Reichtum, unsere Unangepasstheit, unsere Zugehörigkeit zu einer Gruppe, unsere „Individualität“ sei: Immer schwingt dieser Symbolwert, dieses Signal an andere, mit und bestimmt unser Kaufverhalten.

In seiner „Theorie der feinen Leute“ widersprach Veblen den klassischen ökonomischen Theorien zum Nachfrageverhalten seiner Zeit. Seine Beobachtungen sind heute als „Veblen-Effekte“ bekannt:
  1. Der Preis einer Ware spiegelt nicht nur deren Wert wieder, sondern muss „an und für sich als sozial bedeutsames Symbol – als „nutzenstiftend“ – betrachtet werden.“
  2. Konsumenten orientieren sich am Einkaufsverhalten anderer, was zu sogenannten Mitläufer-Effekten führt.
Mit anderen Worten: teuer = gut, weil es Ansehen und Anerkennung bringt.

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Quelle: Von Scheve, Christian. 2010. Hauptsache teuer! – Thorstein Veblen: Der demonstrative Konsum. In: In: Neckel, Sighard, Mijic, Ana, von Scheve, Christian und Titton, Monica (Hrsg.). Sternstunden der Soziologie. Wegweisende Theoriemodelle des soziologischen Denkens. New York: Campus-Verlag; 423-447.



Petra Hennrich Creative Coaching
Grafikerin, systemische Coachin, Trainerin, Autorin
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