Erst die Arbeit, dann das Spiel?

Ein Gastartikel von Mag.a Melanie Mezera



„Jetzt fängt der Ernst des Lebens an!“ hören viele Kinder zum Schulanfang. Glaubenssätze wie „Erst die Arbeit, dann das Spiel.“, „Ohne Fleiß kein Preis.“ oder „Wer rastet, der rostet.“ heften sich an unsere Fersen, während wir im Hamsterrad des Alltags laufen und werden wie beim Staffellauf an die Nachfolgenden weitergegeben. Diesen Glaubenssätzen möchte ich ein Fragezeichen ans Ende stellen, eine Ode an das Spiel schreiben und einige meiner Spiele teilen:

„Spielen ist eine Tätigkeit, die man gar nicht ernst genug nehmen kann.“(Jaques-Yves Cousteau), „Menschen hören nicht auf zu spielen, weil sie alt werden, sie werden alt, weil sie aufhören zu spielen. (Oliver Wendell Holmes) und „Etwas Gescheiteres kann einer doch nicht treiben in dieser schönen Welt, als zu spielen.“ (Henrik Ibsen) sind drei meiner Lieblingszitate zum Thema.

Wenn Kinder vom Kindergarten abgeholt werden und sie auf die Frage: „Was hast du denn heute gemacht?“ die Antwort „Gespielt!!“ geben, bekommen sie oft enttäuschte Gesichter zu sehen, so nach dem Motto „Was, nur gespielt?“. Dabei ist Spielen für Kinder die wichtigste Tätigkeit, mit der sie die Welt begreifen, Beziehungen knüpfen, sich selbst und die Welt kennenlernen, Zusammenhänge erfahren, Problemlösefertigkeiten entwickeln, Fantasie und Kreativität ausleben und viel Freude und Lust empfinden. Diese angenehmen Nebeneffekte des Spielens können wir uns auch als Erwachsene zunutze machen und ich lade Sie ein, Ihrem kindlichen Spieltrieb Raum zu geben.

Ich liebe meine Arbeit und dennoch gibt es immer wieder Aufgaben und Tätigkeiten, die ich gern vor mir herschiebe. Tätigkeiten, die definitiv auf meine To-Do-Liste gehören und die ich nicht streichen kann. Buchhaltung, KundInnenakquise, Aufräumen,… Und das mit dem Delegieren ist nicht immer möglich. Also was tun? Vorallem in meiner Selbstständigkeit habe ich mir einige „Spiele“ überlegt, die mir unangenehme oder lästige Tätigkeiten etwas schmackhafter machen. Spiele, bei denen mein inneres Kind begeistert „Yippie!!!“ ruft und die Raunzereien meines inneren Schweinehundes übertönt. Diese Spiele wandle ich immer wieder ab oder erfinde neue, denn mein inneres Kind ist ein neugieriges, das Abwechslung braucht ;-)
Drei Beispiele aus meiner Spielekiste möchte ich mit Ihnen teilen:

Pralinenschachtel:
Wenn ich eine Pralinenschachtel öffne und all die bunten, liebevoll verzierten und duftenden Schokostücke sehe, kann ich gar nicht anders, als mich durchzukosten. Diesen Umstand hab ich genutzt, um gegen meine immer wieder aufkeimende "Aufschieberitis" anzukommen:
Ich habe das Innere einer schönen Box (mit schokobraunem Stoff bespannt :-) mit leeren Pralinenförmchen beklebt, in die ich kleine Zettel anstelle der Schokolade gelegt habe. Auf diesen Zetteln standen Aufgaben (z.B. Termine auf der Webseite aktualisieren, Seminarskriptum schreiben). Aufgaben mit hoher Priorität bekamen einen roten Zettel. Zusammengefaltet kamen sie in die Förmchen und schon ging es los mit dem lustvollen Auspacken. Bevor eine zweite "Praline" gekostet werden durfte, musste die erste aufgegessen (= bearbeitet) werden.

Buchhaltungsohrring:
Für meine Buchhaltung habe ich mir am Anfang der Selbstständigkeit ein Ritual überlegt. Ich assoziierte mit Buchhalterinnen immer etwas Klimperndes und so suchte ich mir ein schönes Paar klimpernde Ohrringe aus meinem Fundus (ich trage normalerweise keine), die ich während der Erledigung meiner Buchhaltung trug. Jedesmal, wenn mein Kopf zwischen Belegen und Laptop hin- und herwanderte, klimperte der Ohrring an meinem Hals. Das erhöhte den Spaßfaktor enorm :-) und mittlerweile komme ich bereits ohne Ohrring aus.

Umsatz-Stickeralbum
Der Boom der Stickeralben hat mich auf eine Idee gebracht, die sich für mich jetzt schon das zweite Jahr bewährt: Ich habe symbolisch mein eigenes Stickeralbum angelegt: Ich habe meinen gewünschten Jahresumsatz in Hunderterschritte unterteilt und entsprechend viele grüne Kreise in ein Heft gestempelt. (Alternativ Kreissymbole in ein Worddokument einfügen und ausdrucken, aber schon das Stempeln macht so viel Spaß ;-)).
Monatlich ziehe ich Bilanz und male für jeden umgesetzten Hunderter einen Kreis aus. Und da ich mein Stickeralbum am Ende des Jahres gern voll haben möchte, motiviert mich das immer wieder, Akquiseaktivitäten zu setzen und so meinen Umsatz am Laufen zu halten.

Ich hoffe, ich konnte Sie zum Mit-Spielen motivieren und freue mich, wenn Sie Ihre Spielideen im Kommentar teilen.

Spielerische Grüße
Melanie Mezera

Autorin:
Mag.a Melanie Mezera
Psychologin, Kreativtrainerin, Mal- und Gestaltungstherapeutin
Wehrgasse 15/3
1050 Wien
0699/19580345
[email protected]
www.magenta-maltherapie.at
www.magentamaltherapie.wordpress.com



Welcher Spieltyp sind Sie?

Spielen ist nicht gleich Spielen. Im Laufe unserer Jugend entwickeln wir Vorlieben für bestimmte Spiel-Arten, sei es aufgrund unserer Begabungen, einflussreicher Vorbilder oder besonders schöner Erlebnisse, die wir damit verbinden. Im Folgenden möchte ich acht Spieler-Persönlichkeiten vorstellen, die der Spiel-Forscher Stuart Brown aufgrund seiner langjährigen Beobachtungen gefunden hat.

Die hier dargestellte Einteilung ist keineswegs als Schubladensystem gedacht, in das wir Menschen stecken können, und niemand wird zu hundert Prozent einem dieser Typen entsprechen. Das Modell dient lediglich als Orientierung und soll aufzeigen, wie viele unterschiedliche Formen von Spielen es gibt. Denn das eigene bevorzugte Spiel muss nicht jedermanns Liebelingsspiel sein; der Spieltrieb kann viele Facetten haben. Mehr Flexibilität und Vielfalt sind das Ziel, nicht ein rigides „Ablagesystem“ für menschliches (Spiel-)Verhalten.

Die acht Spieler-Persönlichkeiten nach Brown sind:
  1. Der Spassvogel („The Joker“) ist der wohl fundamentalste Spieler. Sein Spiel hat immer etwas mit Nonsens zu tun. In der Schule stellt er den Klassenclown, und auch als Erwachsener erntet er Anerkennung und Freundschaft, indem er andere Menschen zum Lachen bringt.
  2. Der Kinästhet („The Kinesthete“) ist ein Mensch, der sich gerne bewegt – ja, er denkt durch und in Bewegung. Zu dieser Spieler-Persönlichkeit gehören Athleten, Tänzer, Freizeit-Sportler und „Zappelphilippe“. Auch wenn sie manchmal Wettkampfsport betreiben, ist der Wettkampf selbst nicht das Wichtigste für sie. Was zählt ist die Bewegung selbst.
  3. Der Forscher („The Explorer“). Albert Einstein soll das Spiel als „höchste Form der Forschung“ bezeichnet haben. In diesem Sinn sind wir zu Beginn unseres Lebens alle Forscher. Neugierig erforschen wir unsere Umgebung und versuchen, uns darin zurecht zu finden. Für manche Menschen hört diese Faszination niemals auf. Sie forschen entweder physisch (z. B. indem sie im Urwald Pflanzen und Tiere sammeln, oder als Ethologen die Eisbären in Alaska beobachten), emotional (auf der Suche nach neuen oder tieferen Gefühlsausdrücken) oder mental (um durch Nachdenken zu neuen Erkenntnissen zu kommen).
  4. Der Wettkämpfer („The Competitor“) spielt, um zu gewinnen. Er liebt es, sich mit anderen zu messen, Punkte zu sammeln und Ranglisten zu erstellen. Auch der Fan, der seine Freizeit am liebsten im Fussballstadion verbringt, wo er jedes Match „seines“ Teams begeistert verfolgt, zählt zu diesem Spieltyp.
  5. Der Regisseur („The Director“) liebt es, zu planen und zu organisieren. Ob bewusst oder unbewusst genießet er die Macht, die diese Rolle ihm gibt. Im besten Falle ist er es, die die besten Parties schmeisst und Firmenausflüge organisiert. Er ist der dynamische Mittelpunkt der Gesellschaft. Im schlimmsten Fall ist er ein übler Manipulator.
  6. Der Sammler („The Collector“). Sammlern geht es darum, die größte, beste, interessanteste Sammlung zu besitzen. Sie sammeln Objekte wie Bierdeckel, Briefmarken, Antiquitäten, Schuhe oder teuren Wein – aber auch Erfahrungen und Erinnerungen. Sammler können ihrem Spiel alleine nachgehen oder sich einer Gruppe mit ähnlichen Leidenschaften anschließen, wodurch das Sammeln auch eine wichtige soziale Funktion erhält.
  7. Der Künstler/Schöpfer („The Artist/Creator“). Etwas zu kreieren ist die höchste Freude des Künstlers bzw. Schöpfers – etwas Schönes, etwas Nützliches oder etwas Albernes. Auch alle Bastler, die ein Gerät auseinandernehmen um zu sehen wie es funktioniert, gehören zu dieser Spieler-Persönlichkeit. Das Ergebnis ist nicht so wichtig wie der Prozess. Daher kann der Bastler ein Gerät auch mal „kaputtreparieren“. Oder schraubt sein halbes Leben in der Garage an einem Oldtimer herum oder baut ein Boot, das nie das Wasser sehen wird.
  8. Der Erzähler („The Storyteller“). Für den Erzähler ist die Phantasie der Schlüssel zum Königreich des Spiels. Zu dieser Kategorie zählen natürlich alle Schriftsteller, Drehbuchautoren oder Schauspieler, aber auch jene Menschen, denen es besondere Freude bereitet, zu lesen oder Filme anzusehen. Da das Reich dieses Spieltyps die Vorstellungskraft ist, kann er den Geist des Spiels in jede Tätigkeit bringen. Selbst ein Spaziergang kann für ihn zum großen Abenteuer werden.
Den meisten Menschen wird es leicht fallen, sich selbst in einer oder wahrscheinlich sogar mehreren dieser Kategorien wiederzufinden. Hinweise auf das dominante Spielverhalten gibt auch die persönliche Spielgeschichte.



„Nur Arbeit und kein Spiel macht dumm.“
(Karl Marx)



Als Kinder sind wir alle neugierig. Wir wollen ausprobieren, alles kennen lernen und uns entwickeln. Je älter wir werden, desto mehr beschränken wir uns in unserem Entfaltungsspielraum.

In unserem Bestreben, allzeit produktiv zu sein, streichen wir alles von unserem Tagesplan, das keinen objektiven Nutzen hat. Wir sind stolz darauf, wenn wir nur noch Dinge tun, von denen wir glauben, dass es auf sie ankommt.

Dabei vergessen wir nur allzu oft aufs Spielen. Wir halten es für Zeitverschwendung, nicht der Mühe wert. Oft bleibt uns auch einfach keine Zeit, Dinge nur so zum Spass zu machen. Unser angeborenes Bedürfnis nach Abwechslung und Herausforderung wird oft unter dem Berg der Verantwortungen, die wir zu tragen haben, begraben. Wir vergessen, dass gerade die scheinbar nicht zweckorientierten Dinge die Würze des Lebens ausmachen.

„The opposite of play is not work – the opposite of play is depression,“ meint der Spielforscher Stuart Brown.

Ein humorvoller, spielerischer Zugang kann uns oft helfen, mit den Herausforderungen des Lebens besser umzugehen. Dabei müssen wir natürlich nicht immer spielen, um ein erfülltes Leben zu führen. Auch wenn wir uns nur ab und zu erlauben, unseren Spieltrieb auszuleben, werden sich die positiven Effekte des Spielens in allen Lebensbereichen zeigen. Spielen kann uns in allem was wir tun produktiver, kreativer und letztendlich glücklicher machen.



Spiel-Arten

Erinnern Sie sich noch an die Spiele Ihrer Kindheit? Oder haben Sie selbst Kinder, die Sie beim Spielen beobachten können? Dann wird Ihnen sicherlich auffallen, dass es verschiedene Arten von Spielen gibt.

Der Spiel-Forscher Stuart Brown unterscheidet sieben Kategorien von Spielen in der Entwicklung des Kindes:
  1. Attunement („Einstimmung“).
    Im Alter von drei bis vier Monaten beginnt das Baby, auf die Kommunikationsangebote seiner Bezugspersonen mit einem Lächeln zu reagieren. Die Bezugsperson (meist die Mutter) wird mit verbal und nonverbal ausgedrückter Freude antworten – und zurück lächeln. Während sie sich in die Augen sehen, synchronisieren Mutter und Kind die neuronalen Aktivitäten im rechten Cortex – sie vereinigen sich. Dies kann als die ursprünglichste Form des Spielens betrachtet werden.
  2. Body and Movement Play („Körper- und Bewegungs-Spiel“).
    Kinder beginnen sehr früh, durch Bewegung ihren eigenen Körper und ihre Umwelt kennen zu lernen. Dies beginnt schon im Mutterleib, wo die scheinbar willkürlichen Bewegungen des Fötus die neuronalen Verbindungen zwischen Körperteilen und Gehirn anlegen. Durch Bewegung strukturieren wir unser Wissen über die Welt, Raum, Zeit und unsere Beziehung zur Umwelt. Fast alle Formen des Spielens beinhalten eine Form von Bewegung, sei sie nun körperlich oder geistig.
  3. Object Play („Spiel mit Objekten“).
    Je stärker ausdifferenziert die neuronalen Verbindungen werden, desto besser können wir mit den Gegenständen um uns herum hantieren. Wir haben Vergnügen daran, mit unterschiedlichen Objekten zu spielen. “A hand is always in search of a brain and a brain is in search of a hand.” (Frank R. Wilson)
  4. Imaginative Play („Phantasie-Spiele“).
    Die Vorstellungskraft ist vielleicht eine der größten Stärken des Menschen. Sie erlaubt uns, im Geiste andere Realitäten zu kreieren, die wir erkunden können, ohne unseren Realitätssinn zu verlieren. Auf der ganzen Welt beginnen Kinder schon sehr früh, fiktive Szenarien in ihre Spiele zu integrieren.
    Wenn die Kinder älter werden, werden diese Phantasie-Spiele immer elaborierter; gleichzeitig wird die Trennlinie zwischen Vorstellung und Realität klarer und fester. Diese Form des Spiels kommt unser Leben lang zum Tragen, beispielsweise beim Tagträumen. Sie ist gleichsam der Schlüssel zur Kreativität.
  5. Social Play („Soziale Spiele“).
    Der Mensch ist ein „soziales Tier“, und durch Spielen lernen wir, mit den anderen auf sozial akzeptierte Art und Weise umzugehen. Gemeinsames Spielen ist häufig erst der Anlass sozialer Zusammenkünfte, und es hilft uns, als Gemeinschaft zu überleben.
    Brown unterscheidet drei Untergruppen des sozialen Spiels bei Kindern:
    1. Freundschaft und Zusammengehörigkeitsgefühl
    2. „wildes“ Spielen („rough-and-tumble play“)
    3. Feste und Rituale
  6. Storytelling and Narrativ Play („Geschichten erzählen“).
    Geschichten sind ein zentrales Element der Entwicklung der Menschheit. Über Geschichten haben wir immer schon versucht, die Welt, uns selbst und unseren Platz in der Welt zu verstehen.
    „Die ersten Erzählungen, die von realen und fiktiven Ereignissen kündeten, die Mythen und Legenden, die am Lagerfeuer erzählt wurden, erweiterten den Horizont der menschlichen Erfahrung durch die Phantasie. […] Die Macht der Worte beruht darauf, dass sie das Leben bereichern, weil sie die Grenzen der individuellen Erfahrung erweiten. Ohne Geschichten und Bücher wäre unser Wissen auf das beschränkt, was uns selbst oder den Menschen, die wir persönlich kennen, widerfährt. […] Doch noch wichtiger ist, dass wir durch das geschriebene Wort besser verstehen können, was in uns selbst geschieht.“ (Mihaly Csikszentmihalyi)
  7. Transformative-Integrative and Creative Play („Transformativ-integrative Spiele“).
    Da Spielen viel mit dem Ausprobieren neuer Gedanken und Verhaltensweisen zu tun hat, befreit es uns vom engen Korsett unserer Muster. Für Kinder, die ständig im Prozess der Veränderung und des Werdens sind, ist transformatives Spiel im Leben allgegenwärtig. Die Grenzen von „jemanden (eine Rolle) spielen“ und „jemand sein“ sind fließend.
Wenn wir älter werden, ändern sich die Spiele, die wir spielen. Aber bei den meisten unserer Spiele lässt sich diese Gliederung noch gut beobachten.

So nutzen wir als Erwachsene zum Beispiel den transformativen Charakter des Spiels; die Visionsarbeit im Coaching ist ein gutes Beispiel dafür. Wenn wir unsere Phantasie „spielen“ lassen, biegen wir gleichsam unsere Realität, und dieser Prozess kann zu neuen Ideen und Lebensweisen führen.

Und welche Spiele spielen Sie am liebsten?



Nur Fliegen ist schöner …

Im Spielen sind wir ganz in diesem magischen Zustand, den der Kreativitäts-Forscher Mihaly Csikszentmihalyi "flow" nennt. Es verwundert daher nicht, dass die von ihm definierten neun Hauptelemente der flow-Erfahrung in vielen Punkten den Eingenschaften des Spiels ähneln:

  1. Jede Phase des Prozesses ist durch klare Ziele gekennzeichnet.
    Im flow weiß man immer ganz genau, was getan werden muss.
  2. Man erhält ein unmittelbares Feedback für das eigene Handeln.
  3. Aufgaben und Fähigkeiten befinden sich im Gleichgewicht.
    In einem wirklich erfreulichen Spiel bewegen sich die Spieler auf dem feinen Grat zwischen Angst und Langeweile. Dasselbe gilt, wenn wir das Gefühl haben, dass es bei der Arbeit, bei Gesprächen oder in Beziehungen gut läuft.
  4. Handeln und Bewusstheit bilden eine Einheit.
    Beim flow sind wir vollständig auf das konzentriert, was wir gerade tun.
  5. Ablenkungen werden vom Bewusstsein ausgeschlossen.
    Flow ist das Ergebnis einer intensiven Konzentration auf die Gegenwart, was die normalen Ängste und Sorgen des Alltags von uns abfallen lässt.
  6. Man hat keine Versagensängste.
    Während des flow ist man zu beschäftigt, um über ein mögliches Scheitern zu reflektieren. Ein mögliches Scheitern ist kein Thema, weil es beim flow völlig klar ist, was man tun muss, und weil die eigenen Fähigkeiten den Anforderungen angemessen sind.
  7. Selbstvergessenheit.
    Im flow geht man so vollständig in der Tätigkeit auf, dass man nicht mehr darüber nachdenkt, wie man sein Ego schützen kann. Paradoxerweise wächst das Selbst durch Akte der Selbstvergessenheit.
  8. Das Zeitgefühl wird aufgehoben.
  9. Die Aktivität ist autotelisch (= griechisch für etwas, das ein Ziel in sich ist).
    Die meisten Dinge des Lebens sind exotelisch. Wir tun sie nicht, weil wir sie genießen, sondern um ein nachgeordnetes Ziel zu erreichen. Einige Aktivitäten sind beides.
In vielerlei Hinsicht besteht das Geheimnis eines erfüllten Lebens darin, dass man lernt, flow bei möglichst vielen Aktivitäten zu erleben, die man ohnehin tun muss. Je öfter man flow-Erfahrungen im Alltag macht, desto größer ist auf lange Sicht die Wahrscheinlichkeit, dass man insgesamt glücklich ist.

Den Zustand des flow kann man sehr gut bei spielenden Kindern beobachten. Beim Spielen ist das Kind in einem Zustand wacher Aufmerksamkeit. „In dem Moment ist Spielen sein ein und alles, wofür es lebt. Das Kind nimmt Spielen ernst.“ (Voigtmann 1997: S. 92)



Spielen und Kreativität



Spiel und Kreativität sind eng miteinander verbunden. Wenn Spielen der „höchste Ausdruck des Menschlichen und der Individualität“ ist, so möchte ich die Kreativität als schönstes (Neben-)Produkt dieses Ausdrucks bezeichnen.

Doch was ist Kreativität eigentlich?
In einer sehr allgemeinen Form wird Kreativität als „die Fähigkeit, Neues in Form von Ideen und Erkenntnissen zu formen bzw. zu finden“ definiert.

Der kreative Prozess wird oft mit einem Hauch von Mythos umgeben und als widersprüchlich und paradox bezeichnet. Kreative Menschen sind auch selbst oft recht widersprüchliche Charaktere. Tatsächlich scheint dies eines der herausragendsten Merkmale zu sein, das kreativen Personen gemein ist: Ihre Fähigkeit, widersprüchliche Extreme in sich zu vereinen.

Kreative Menschen sind meist sehr komplexe Persönlichkeiten, die eine große Bandbreite von Eigenschaften zum Ausdruck bringen können. Sie können leichtfüßig zwischen Imagination und bodenständigem Realitätssinn wechseln und sind in der Lage, sowohl das logische (lineare) als auch das „seitwärtige“ (laterale) Denken zu nutzen.

Letzteres ist die Denkweise, die in Kreativitäts-Workshops gefördert wird; hierzu gehört
  • Flüssigkeit des Denkens (eine große Anzahl von Ideen),
  • Flexibilität (verschiedene Perspektiven) und
  • Originalität (ungewöhnliche Ideenverknüpfungen).
„Der beste Weg, eine gute Idee zu finden, ist, eine Menge davon zu haben.“ (Linus Pauling)

Um zu „großen“ Ideen zu kommen, sind beide Denkweisen notwendig. Um ein Urteil über die Qualität einer Idee fällen zu können, sind logisches Denken und ein umfassendes Fachwissen nötig. „Genies“, so sind sich die Kreativitätsforscher einig, fallen nicht vom Himmel.

Aber nur wenn diese harte Arbeit auch Freude bereitet, wird man lange genug am Ball bleiben, um die nötige Meisterschaft seiner Domäne zu erlangen, und Gedanken denken, die nie zuvor ein Mensch gedacht hat.

Und das bringt uns wieder zum Spielen:
„People cannot succeed in rising to the highest level of their field if they don‘t […] make time for play.“ (Stuart Brown)

Ein spielerischer Zugang erleichtert sowohl die Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit, die notwendig sind, um das erforderliche Wissen anzusammeln, als auch die Offenheit und Flexibilität, die neue Erkenntnisse ermöglichen.



Homo Ludens: Der spielende Mensch



„Denn […] der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“
(Friedrich Schiller)

Der Mensch gilt als der „größte Spieler“ aller Lebewesen. Wir sind zum Spielen und durch das Spielen geschaffen. Spielen wird von vielen als der höchste Ausdruck des Menschlichen und der Individualität bezeichnet. Alle unsere kulturellen Systeme wie Politik, Wissenschaft, Religion, Recht, Kunst, etc. haben sich – nach Jan Huizinga – ursprünglich aus spielerischen Verhaltensweisen entwickelt.

Spielen scheint so wichtig für unsere Entwicklung und unser Überleben gewesen zu sein, dass der Spielimpuls zu einem biologischen Antrieb geworden ist, und es scheint, dass es – ähnlich der gut dokumentierten Schlaf-Deprivation – auch ein Spiel-Defizit gibt, das zu schlechter Stimmung und Pessimismus führen kann.

Die positiven Auswirkungen des Spielens zeigen sich verstärkt in der Kindheit, in der das Gehirn am schnellsten wächst und sich verändert. In dieser Zeit ist unser Bedürfnis zu spielen so stark, dass wir – anders als die meisten (anderen) Tiere – sogar unter den lebensbedrohlichsten Bedingungen spielen, wie die traurig Geschichte der in Konzentrationslagern inhaftierten Kinder zeigte.

Viele andere Tiere hören im Erwachsenenalter auf zu spielen – die Kosten übersteigen nun den Nutzen. Der Mensch behält seinen „Spieltrieb“ bis ins hohe Alter.

„We are designed to be lifelong players, built to benefit from play at any age. The human animal is shaped by evolution to be the most flexible of all animals: as we play, we continue to change and adapt into old age.“
(Stuart Brown)

Auch wenn der „Spieltrieb“ durch äußere Umstände (z. B. Mangel an Freizeit, Verantwortungsgefühl, innere und äußere „Spielverderber“, etc.) nicht ausgelebt werden kann, geht er nicht völlig verloren. Die Lust am Spielen kann wieder erweckt werden, wenn der „spielerische Rahmen“ wieder hergestellt wird.



The Brain: Use It or Loose it

Die Tiere mit den größten Gehirnen (relativ zu ihrer Körpergröße) sind auch die „größten Spieler“. Größeres Gehirn bedeutet also mehr Spielen. Das erscheint für den Laien wenig überraschend. Weitaus interessanter sind Forschungsergebnisse, die darauf hinweisen, dass diese Verbindung in beide Richtungen funktioniert. Was (sehr vereinfacht ausgedrückt) bedeutet: Mehr Spielen – größeres Gehirn.

Auf jeden Fall trägt Spielen dazu bei das Gehirn zu formen, indem es neue kognitive Verbindungen herstellt und testet. Martin Voigtmann beschreibt diesen Vorgang so:

„Das menschliche Gehirn besteht aus einem weitverzweigten Netz einiger Milliarden Nervenzellen. Durch dieses feine Netz fließen elektrische Ströme, so dass das Gehirn sich als ein Wirrwarr von Kabeln darstellt. Sinnesreize senden Ströme aus, die Gehirnzellen anregen und etwa als Schmerz oder Urlaubsfreuden Eindrücke hinterlassen. Im Lebensverlauf reizen wiederholte Handlungen und Gedanken einige Nervenfasern stärker, die sich festigen. Jede Gewohnheit prägt sich buchstäblich ein und hinterlässt eine winzige biologische Spur. Im Alltag nun bewegen wir uns auf eingefahrenen Spurrillen, quasi den Starkstromkabeln. Die selten aktivierten Nebendrähte schlummern vor sich hin oder lösen sich wieder auf. Umverdrahtungen ermöglichen dem Gehirn jedoch Anpassungen an neue Situationen.“ (Voigtmann, Martin: Genies wie Du und ich. Kreativ sein hat System, Sauer, Heidelberg (1997), S. 20)

Der amerikanische Spiel-Forscher Stuart Brown fasst es so zusammen: „Play seems to be one of the most advanced methods nature has invented to allow a complex brain to create itself.“ (Brown, Stuart: play. How it Shapes the Brain, Opens the Imagination, and Invigorates the Soul, Penguin, New York (2009), S. 40)

Wenn das nicht ein guter Grund ist, mehr zu spielen …



Beute oder Spielkamerad?



Was bringt diesen hungrigen Eisbären dazu, mit dem Husky zu spielen (anstatt ihn zu verspeisen)?

Spielen und „Emotionale Intelligenz“
Lange Zeit wurde angenommen, dass – sowohl menschliche als auch nicht-menschliche – Jungtiere im Spiel durch Nachahmung genau jene Verhaltensweisen erlernen, die sie als Erwachsene benötigen werden, also zum Beispiel das Jagen oder Kämpfen. Dem widerspricht die Tatsache, dass zum Beispiel auch Katzen, die am Spielen gehindert wurden, später ebenso gute Jäger werden, wie ihre spielenden Kollegen. Aber: „What they can’t do—what they never learned to do—is to socialize successfully.“ (Brown 2009: S. 32)

Im Spielen lernen Tiere, Freund von Feind zu unterscheiden, die Signale ihrer Artgenossen richtig zu deuten und deren Emotionen zu erkennen, was Daniel Goleman „Emotionale Intelligenz“ nennt – ein wichtiger Faktor für das soziale Zusammenleben.

Spielen und „Kreative Intelligenz“
Beim Spielen können wir uns in einer angstfreien Umgebung neuen Heraus­forderungen stellen und neue Verhaltensweisen spielerisch ausprobieren. Der schützende Rahmen der Gruppe erlaubt uns, Reaktionen auf neuartige Situationen auszutesten und zu trainieren.

Der amerikanischer Verhaltensforscher Bob Fagen, der das Spielverhalten der Eisbären in Alaska untersuchte, fand heraus, dass jene Bären, die am meisten spielten, die größten Überlebenschancen hatten – trotz der Gefahren und Nachteile des Spielens. Er erklärt dies so: „In a world continuously presenting unique challenges and ambiguity, play prepares these bears for an evolving planet“. (Brown 2009: S. 29)

Zusammenfassend könnte man sagen, dass Spielen die Anzahl der möglichen Verhaltensweisen erhöht und spielende Tiere besser mit neuen Situationen zurecht kommen, da sie über ein größeres Repertoire an „Copingstrategien“ verfügen – eines der wichtigsten Merkmale „kreativer Intelligenz“.

Spielen bietet diesen Tieren also einen Überlebensvorteil. Daher ist eine Spielaufforderung (wie zum Beispiel die typische Spielverbeugung der Hunde) für einige Tiere scheinbar so unwiderstehlich, dass sie darüber ihren Hunger vergessen.



Warum spielen wir?

Spielen ist eine ungeheuer starke Kraft in der Natur, und der Mensch ist der „größte Spieler“ von allen Lebewesen.



Johan Huizinga bezeichnete ihn daher auch – in Analogie zum homo sapiens und homo faber – als homo ludens, den spielenden Menschen.

Doch auch im Tierreich ist Spielen außerordentlich weit verbreitet, vor allem bei „sozialen Tieren“. Das Spiel wird durch den „spielerischen Rahmen“ der sozialen Gruppe erst ermöglicht (Arbeitsteilung). Besonders häufig wird von Jungtieren während der Entwicklung gespielt, aber auch erwachsene Tiere können beim Spiel beobachtet werden. Dabei ist Spielen nicht ganz ungefährlich:
  • Das spielende Tier ist seiner Umgebung gegenüber unaufmerksam, kann heran­nahende Feinde nicht rasch genug erkennen und ist daher eine „leichte Beute“.
  • Erwachsene Tiere können während des Spielens ihre Jungen nicht beschützen.
  • Sie schaffen dabei weder Nahrung herbei, noch bauen sie Nester oder Höhlen.
Wenn nun Spielen so gefährlich sein kann, warum hat es sich so lange gehalten und verbreitet? Wenn spielende Jungtiere eher von Feinden erlegt werden, noch bevor sie sich fortpflanzen und ihre Gene weitergeben können, warum wurde das Verhalten „Spielen“ in der Evolution nicht ausselektiert?

(Fortsetzung folgt …)



Petra Hennrich Creative Coaching
Grafikerin, systemische Coachin, Trainerin, Autorin
Lindengasse 14/3/5, 1070 Wien, Tel.: 0660 34 09 471
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